Von links nach rechts: Karl-Josef Laumann (Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes NRW), Michael Kreuzfelder (Caritasdirektor), Klaus-Jürgen Monz (Einrichtungsleitung Schloss Bellinghoven) und zwei Auszubildende.
Rees / Oberhausen. Sein neues Leben begann für Andi K. (Name geändert) vor zwei Jahren. Heute steht der junge Mann mitten in der Fahrradwerkstatt im Schloss Bellinghoven zwischen Drahteseln und neben NRW-Sozialminister Karl-Josef Laumann und erzählt ihm seine Geschichte. Über die Drogensucht, darüber dass er trotzdem einen Schulabschluss hinbekommen hat, über die krasse Abhängigkeits-Phase in der er Job, Wohnung und Orientierung verlor. Über den harten Weg der Therapie. Und übers Ankommen im "Schloss" - wie er die Einrichtung nennt. Er kam hierher mit der Hoffnung auf ein neues Leben.
Andi K. ist einer von derzeit zwölf Lehrlingen mit ähnlicher Geschichte, die in der Reeser Einrichtung eine Ausbildung absolvieren. Heute ist mit NRW-Arbeits- und Sozialminister Karl-Josef Laumann der Mann zu Gast, der mit dafür sorgte, dass die Ausbildung im Schloss vor zwei Jahren auf neue Füße gestellt werden konnte. Auf Vermittlung des Landtagsabgeordneten Dr. Günter Bergmann (CDU) nahm sich der Minister der damaligen Schwierigkeiten rund um den rechtlichen Status und die Finanzierung der Ausbildung an. Vormals vom Landschaftsverband Rheinland getragen, wurde sie zum Ausbildungsstart 2021 in den Rahmen der Bundesagentur für Arbeit (BA) überführt. Seitdem bietet der Caritasverband Oberhausen im Schloss insgesamt 21 Ausbildungs-Plätze in drei Gewerken: Tischler, Zweiradmechatronik und Metallbauer.
Von links nach rechts: Auszubildender Andy K., Dr. Günther Bergmann (Landtagsabgeordneter), Karl-Josef Laumann (Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes NRW), Ute Ackerschott (Regional Direktion NRW der Bundesagentur für Arbeit), Barbara Ossyra (Leitung Bundesagentur für Arbeit in Wesel), Klaus-Jürgen Monz (Einrichtungsleitung Schloss Bellinghoven), Michael Kreuzfelder (Caritasdirektor).
Heute großer Bahnhof im Schloss, denn neben dem Minister sind Vertretungen vieler Institutionen gekommen, um sich selbst ein Bild zu machen. "Die Arbeit, die hier von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern geleistet wird, ist vorbildlich. Junge Menschen mit sehr schwierigen Startbedingungen bekommen hier eine Chance auf echte berufliche Teilhabe", lobt Minister Laumann.
Art und Ausprägung sind in NRW einmalig, aus ganz Deutschland kommen Interessierte nach Rees. "Junge Menschen, die in den meisten Fällen nirgendwo mehr gefördert werden konnten, lange Aufenthalte in psychiatrischen Kliniken und schwierige familiäre Biografien hinter sich haben. Die enge Verzahnung von pädagogischer Begleitung und beruflicher Förderung macht das Schloss aus", so Caritasdirektor Michael Kreuzfelder. Doch er berichtet auch über Probleme: Zuweisungen und Finanzierung reichen noch nicht aus, um das Angebot dauerhaft auf sichere Füße zu stellen. Auch darum ging es in einem Gespräch mit Expertinnen und Experten aus Ministerium, Bundesagentur, Politik und Verwaltung.
Im Fokus dabei immer: Die Teilhabechancen junger Menschen. Dabei gibt es ein paar Voraussetzungen, um in die Ausbildung zu kommen. "Die psychischen Erkrankungen und die Suchtkrankheit müssen behandelt sein, bevor die jungen Leute in die Ausbildung kommen", erklärt Einrichtungsleiter Klaus-Jürgen Monz. Auch Zuverlässigkeit und Pünktlichkeit seien unabding-bar. "Die ersten Zwischenprüfungen haben jetzt alle Teilnehmenden erfolgreich bestanden", erzählt Monz nicht ohne Stolz. "Wir hatten in der Vergangenheit schon Azubis, die ihre Prüfung als beste ihres Ausbildungsjahrgangs abgeschlossen haben. Das ist ein Zeichen dafür, dass wir hier wirklich etwas bewegen können."
Andi K. hat diesen Sprung auch fast geschafft, ab November darf er seine Ausbildung in einem echten Betrieb fortsetzen, so gut ist er. Mehr noch: "Andi lebt seit er bei uns ist abstinent, ist zielstrebig, hat Orientierung und eine neue Lebensperspektive und Selbstvertrauen entwickelt", attestiert Ausbildungsbegleiter und Pädagoge Thomas Rieder. Die Hoffnung auf ein neues Leben - für Andi K. scheint sie sich zu erfüllen.
INFOKÄSTEN
Tag der Offenen Tür am 2. SeptemberAm Samstag, 2. September, lädt das Schloss von 11 bis 17 Uhr zu einem Tag der offenen Tür ein. Los geht es mit einem besinnlichen Einstieg durch Pfarrer Eiden. Über den Tag verteilt wird es musikalische Beiträge von Chören und Vereinen aus der Region geben. Für die kleinen Besucher gibt es eine Kinderolympiade, Spiele und Kreativangebote. Im wahrsten Sinne ein High-Light: Besucher können den Blick über die Landschaft des Niederrheins vom Turm des Schlosses genießen (Turmbesteigung). Auch die Werkstätten sind geöffnet. Und Informationen über die Arbeit und die Ausbildungsmöglichkeiten. Die in den Werkstätten gefertigten Produkte kön-nen an diesem Tag käuflich erworben werden. Für das leibliche Wohl ist gesorgt mit Kaffee und Kuchen oder Herzhaftem vom Grill.
Was ist Schloss Bellinghoven?
Das Schloss Bellinghoven ist eine Komplex-Einrichtung der Eingliederungshilfe (früher "Behindertenhilfe"). Heute leben in der Wohnreinrichtung 30 junge Menschen mit psychischen Ein-schränkungen und/oder Suchterkrankungen. Viele von den 18- bis zumeist 30-jährigen Bewohnerinnen und Bewohnern sehen hier die letzte Chance, etwas in ihrem Leben zu verändern. Im "Schloss" bleiben die jungen Menschen im Schnitt eineinhalb Jahre. Neben dem stationären Wohnen gibt es Tagesstruktur, Begleitung und Förderung - immer mit dem Ziel, ein selbstständiges Leben zu führen. Als erste Stufe dahin dienen die Ambulanten Wohngemeinschaften (AWG), sowie das Ambulant Betreute Wohnen (BeWo) in WGs und in der eigenen Wohnung. Zusätzlich bietet das Schloss bis zu 21 jungen Menschen eine Berufs-Ausbildung in drei Gewerken (Schlosser, Zweiradmechanik, Tischler). In der gesamten Einrichtung werden mehr als 82 Menschen begleitet. Im "Schloss" arbeiten 50 Menschen.
Geschichte
Im 14. Jahrhundert gehörte das Schloss den Grafen von Kleve. Träger ist heute der Caritasver-band Oberhausen e.V., der die Einrichtung 1983 - also vor 40 Jahren - vom Verein "Die Brücke" übernommen hat. Der Jugendhilfeträger hatte damals Konkurs angemeldet. Dem damaligen Engagement des Oberhausener Caritasverbandes war es zu verdanken, dass die Plätze für die dringlich auf umfassende Betreuung angewiesenen jungen Menschen erhalten und die rund 40 Beschäftigten ihre Arbeit behalten konnten.